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Die allerersten Schallplatten der Welt

Michael E. Gunrem

SCHALLTRICHTER, Deutscher Grammophonclub e. V., Nr. 32, April 2008

 

KÄMMER & REINHARDT

Die wohl seltensten existierenden Schallplatten sind die allerersten von ca. 1890 bis ca.1893 hergestellten 12,5 cm Berliner Records. Ich habe in 44 Jahren Sammlerlaufbahn ganze 4 Stück gefunden, wenn man bei Tausch mit anderen Sammlern von „Finden“ sprechen kann, eine habe ich vor nicht allzu langer Zeit im englischen ebay entdeckt und einen stolzen Preis bezahlt. Eine von den Vieren ist vor langer Zeit gegen einige ultraseltene Opernplatten vertauscht worden, es war aber nur eine Aufnahme des Hohenfriedberger Marsches, gespielt von einem „Brass-Quintett“, die drei anderen, die ich noch habe, nämlich die Nummern 35-„Who killed Cock Robin“, 64-„Soldatenlied“ und 67-„So wie du“ sind allesamt von Emile Berliner selbst gesungen oder gesprochen ! Ich kenne einen französischen Sammler, der immerhin 9 Stück durch ein unglaubliches Glück besitzt ! Man kann sagen, dass diese ersten Schallplatten seltener als die Gutenberg-Bibel sind, die um 1455 in 200 Exemplaren gedruckt wurde und von der es heute noch 48 Exemplare weltweit gibt (und die inzwischen einige Millionen Euro kostet !), diese Platten gibt es wohl jeweils weltweit in nur einem einzigen Exemplar, reine Inkunabeln !

Am 11. September 1889 kam Emile Berliner mit seiner Frau Cora und seinen vier Kindern aus Washington in Hannover, von wo aus er 1870 nach Amerika ausgewandert war, an. Dort, in der Hedwig Strasse 6, lebte seine weitläufige Verwandtschaft. Wie Cora Berliner in ihrem Tagebuch schrieb, war Emile während seines Aufenthaltes, der ein Jahr dauern sollte, ständig geschäftlich unterwegs. Berliner hatte die Rechte des am 8. November 1887 bereits patentierten Grammophons zuvor vergeblich Investoren in den USA angeboten. Er bezog zunächst ein Laboratorium in der Telephonfabrik seines Bruders Joseph und begann dort, Schallplatten mit dem aus den USA mitgebrachten „Aufnahme-Grammophon“ herzustellen. Die Zinkplatten wurde danach mit Chromsäure geätzt und konnten direkt mit dem „Wiedergabegrammophon“ abgespielt werden, das Berliners Mitarbeiter Werner Suess kurz vorher entwickelt und fertiggestellt hatte. Noch in Hannover lernte Emile Berliner den Frankfurter Fabrikanten Louis Rosenthal kennen. Dieser war an dem Grammophon außerordentlich interessiert. Gegen das Versprechen einer Gewinnbeteiligung begann Rosenthal die Entwicklung eines Verfahrens zur Schallplattenpressung sowie zur phototechnischen Vergrößerungen von Schallplatten zur Erhöhung der Lautstärke. Louis Rosenthal hatte mittlerweile das nun dringend benötigte, neue, patentierbare Reproduktions- und Pressverfahren für Schallplatten entwickelt. Er führte Berliner und Firmenvertretern der Puppenfabrik in Waltershausen gleichlautende Kopien in Zelluloid, Hartgummi und Kupfer vor. Rosenthals Vorführung überzeugte und er wurde mit der Einrichtung eines Aufnahmelaboratoriums in Frankfurt am Main beauftragt.

Von den geätzten Zink-Schallplatten stellte Rosenthal zunächst einen Abdruck auf Papier her, dessen Negativ phototechnisch vergrößert auf eine blank polierte und mit lichtempfindlicher Gelatine beschichtete Kupferplatte übertragen wurde. Nach der Belichtung, dem Abwaschen mit heißem Wasser und deranschließenden Ätzung war nach etwa 2 Stunden ein Pressstempel hergestellt. Während seine Erfindung langsam praktisch nutzbar wurde, zeigte Berliner das Grammophon vor wissenschaftlichen Gesellschaften in Hannover, Berlin (26. November 1889) und Frankfurt am Main. Die Wiedergabe war laut, aber von starken Nebengeräuschen begleitet. Berühmte Zuhörer wie von Heimholtz, von Siemens und von Bülow erkannten jedoch einige prinzipielle Vorteile des Grammophons sowie ein gewisses Entwicklungspotenzial für die nahe Zukunft. Die älteste bis heute erhaltene Berliner-Schallplatte ist ein am 25. Oktober 1887 in Washington von Berliner selbst angefertigtes Zink-Positiv.

Anfang 1890 fand im Belle-Alliance Theater in Berlin die, nach meinem jetzigen Kenntnisstand, weltweit erste, rein kommerzielle Grammophonvorführung statt. Es wurden dafür einige kleine, nur 12,5 cm messende Zinkschallplatten mit einer Spieldauer von kaum 1 Minute abgespielt. Die Presse lobte vor allem die gelungene Wiedergabe mehrstimmiger Musikstücke sowie den effektiven Trichter zur Tonverstärkung. Zur selben Zeit wurde die sprechende Edison-Puppe von William Jacques in Deutschland gezeigt. Eine Sensation, da es sich hier um die erste käufliche praktische Anwendung eines Edison Phonographen mit Wachswalze handelte. Möglicherweise kam es mit der Vorstellung der sprechenden Puppe von Jacques zur Kontaktaufnahme zwischen Berliner und der Puppenfabrik Kämmer & Reinhardt. Emile Berliner baute für Kämmer & Reinhardt daraufhin den Prototypen einer Miniaturausgabe seines Wiedergabe-Grammophons, scheute aber vor der technisch anspruchsvolleren Umsetzung einer Grammophonpuppe zurück. Diese Aufgabe wurde Ernst Kämmer übertragen. Man entschied sich, die Herstellung der kleinen Puppenplatten von 7,5 cm Durchmsser aus Zelluloid und Hartgummi der „Rheinischen Gummi- und Celluloid-Fabrik Mannheim-Neckarau“ zu übertragen. (Es wurden dort auch die Zelluloid-Puppen hergestellt, für die später das berühmte „Schildkröt“-Warenzeichen entworfen wurde). Hergestellt wurden Platten mit 7,5 cm Durchmesser für die Sprechpuppe und 12,5 cm Durchmesser für das Grammophon; zumindest teilweise kamen dabei wohl in den USA entstandene Matrizen zur Verwendung. Die Pressungen waren in Zelluloid-, Hart-Gummi- und Zink-Ausführung erhältlich, wobei nicht bekannt ist, inwieweit Zelluloid und Hart-Gummi zueinander in zeitlicher Abfolge standen; die Zinkplatten wurden offenbar gegen Aufpreis verkauft. Kurz vor seiner Abreise in die USA im September 1890 bevollmächtigte Emile notariell seinen Bruder Joseph ihn in allen Angelegenheiten zu vertreten, welche sein Grammophonpatent betreffen.. 1891 schied Reinhardt aus, um sich ganz der Puppenfabrik zu widmen. Der neue Firmenname: Grammophon-Fabrik Kämmer & Co. Geschäftsführer wurde Udo Sörgel. Die ersten Grammophone standen Weihnachten 1890 zum Verkauf. Die Pressung der zunächst aus Zelluloid hergestellten Platten besorgte die „Rheinische Gummi- u. Celluloid-Fabrik Mannheim- Neckarau.“ Nach wenigen Monaten zeigte sich, dass Zelluloid nicht widerstandsfähig genug war, ab Anfang 1891 sind die Pressungen in Hartgummi ausgeführt worden.

Sogenannte Grammophonisten produzierten Originalaufnahmen auf Zinkschallplatten an einigen Aufnahmestellen, an denen jeder seine Stimme aufnehmen konnte. Aufnahmegrammophone wurden für diesen Zweck in der Telephonfabrik Joseph Berliners hergestellt. Die frühe Vermarktungsgeschichte des Grammophons in Deutschland kann mit ca. 14.500 verkauften Geräten, 600 verschiedenen Aufnahmen in acht verschiedenen Sprachen und schätzungsweise 100.000 verkauften Schallplatten bis Anfang 1893 durchaus als Erfolg bezeichnet werden. Fehlende Infrastruktur und Erfahrung in der Organisation, gepaart mit wenig Risikobereitschaft von Kämmer & Reinhardt, verhinderten jedoch den großen Durchbruch für das Grammophon, der erst einige Jahre später in den USA erfolgen sollte...

Ende 1885 taten sich der Modelleur Ernst Kämmer und der Kaufmann Franz Reinhardt zusammen, um in Waltershausen (Thüringen) die Puppenfabrik „Kämmer & Reinhardt“ zu gründen. 1889 trat Emil Berliner mit der Firma in Verbindung, um mit ihr einen Vertrag zur Herstellung von Grammophon-Apparaten und –Platten und die Fertigung von sprechenden Puppen einzugehen. Die am 19. Mai 1890 gegründete Firma „Grammophon-Spielwaren-Fabrik Kämmer, Reinhardt & Co.“ (hinter dem Co. verbarg sich der Teilhaber Julius Heinrich Zimmermann) wurde in das örtliche Handelsregister eingetragen und erhielt von Emile Berliner die Lizenz zur „Herstellung von sprechenden Puppen und der Errichtung einer Grammophon-Fabrik zwecks Fertigung von handgetriebenen Grammophon-Apparaten für den Neuheiten-Geschenkartikel-Handel.“ Sechs Wochen später wurde die Firma gelöscht und neu gegründet unter dem Namen Grammophon-Fabrik Kämmer, Reinhardt & Co.

Das Patent des Grammophon wurde für Emil Berliner unter der DRP-Nummer 45045 eingetragen, die Sprechpuppe selbst wurde durch das DRGM 26570 geschützt. Die Erfindung war kein durchschlagender Erfolg, weil der kleine Mechanismus in dem engen Raum des Puppenkörpers nicht genügend funktionierte. Die einzige erhaltene Berliner-Sprechpuppe befindet sich im Puppenmuseum der Stadt Waltershausen. Es wurden zwar namentlich nach England größere Posten von
Grammophonen geliefert, doch die Plattenproduktion endete nach etwa vier Jahren, die Grammophonfabrik wurde kurz darauf geschlossen. Emil Berliner vermarktete seine Platten stattdessen in den USA (ab 1895) und ab 1898 von London aus auch in Europa.

In der „Sprechmaschine“ erschien am 9. August 1913 unter der Überschrift „Aus der Entwicklungsgeschichte der Sprechmaschine“, 4. Fortsetzung, verfasst von Albert Költzow, folgender Artikel: „Auch Berliner war nicht untätig, sein Grammophon dem allgemeinen Publikum zugänglich zu machen. Rechte aus den Patenten wurden der Firma Kämmer, Reinhardt & Co., Puppenfabrik in Waltershausen in Thüringen, übertragen und diese Firme fabrizierte und vertrieb in Deutschland durch ihren Generalvertreter Hugo Henning in Berlin die ersten Grammophone. Auch eine Aufnahmestation, wo jeder seine Stimme grammophonisch aufnehmen lassen konnte, richtete die Firma Hugo Henning in Berlin ein, leider war der Zuspruch gleich null. Die Fabrikation und der Vertrieb dieser Apparate währte nur ca. zwei Jahre, und bald hörte man von diesen Apparaten nichts mehr, da die Phonographen, welche wesentlich bessere Wiedergaben hervorbrachten, diese ersten Grammophone bald verdrängten, denn um die damaligen Platten anzuhören, dazu gehörten eiserne Nerven. Immerhin war dieser Apparat hochinteressant und im Vergleich zu heute kann man sehen, welche gewaltigen Fortschritte insbesondere Grammophon getätigt hat. Soweit mir bekannt, hat die Firma Carl Lindstöm AG vor ca. zwei Jahren noch einen ganzen Posten dieser ersten Grammophon-Apparate erworben und der Sammler findet dort zweifellos Gelegenheit von dort eventl. ein solches Exemplar zu erwerben“ (schnell auf zu Lindström !!!).

Das nachstehende Inserat aus der Wochenschrift „Prometheus“ vom Dezember 1891 war das erste Grammophon-Inserat in Deutschland. Im Gegensatz zu den frühen amerikanischen (ab 1895) und den deutschen ab (1898) Berliner Records war keine dieser frühen Platten datiert, obwohl es sein könnte, dass die Nr. 64, die handgeschrieben 1290 aufweist, dies das Aufnahmedatum sein könnte - entweder 1. 2. 1890 oder Dezember 1890 ! Insgesamt wurden über einen Zeitraum von fünf Jahren etwa 600 Platten in acht Sprachen (vor allem: Deutsch, Französisch, Englisch, Spanisch, Italienisch, Russisch) in kleinen Auflagen von je maximal 100 Exemplaren hergestellt.

Trotz dieser geringen Zahl gibt es viele „Label“-Varianten. Auch sind einige Original-Zink-Platten aus dem Jahre 1890 erhalten. Die Platten trugen keine Papieretiketten, vielmehr waren alle Angaben direkt in die Platte eingeritzt, bzw eingepresst und versenkt („sunken and embossed“). Bei den ersten Celluloid-Platten war der Firmenname auf der Rückseite rund um den Rand eingepresst. Der zweite Typ bestand aus schwarzem Hartgummi (vulkanisiertem Kautschuk = „Ebonit“), aber ohne Angaben auf der Rückseite. Bei dem dritten Typ befand sich auf der oberen Etiketten-Hälfte der übliche Firmenkopf „E. Berliner's Grammophon D.R.P. 45048“. Links neben dem Spindelloch sieht man die allererste Schutzmarke der Plattengeschichte – das Wahrzeichen von „Kämmer & Reinhardt“: ein Balkenkreuz. Im Kreuz steht im Mittelfeld ein „W“, darum jeweils drei Buchstaben des Wortes „Waltershausen“. In den Nischen des Kreuzes stehen die Buchstaben „G-F-K-C“ als Anagramm für „ Grammophon- Fabrik Kämmer & C o“.

Serien: 5 Zoll (=12,5cm) Ø, einseitig
Eigentümer:
Grammophon-Spielwaren-Fabrik Kämmer, Reinhardt & Co.
Hersteller:
Rheinische Gummi- und Celluloid-Fabrik Mannheim-Neckarau
Vertrieb: Direktvertrieb und Fachhandel
Repertoire: Puppen / Grammophon-Platten
Zeitraum: 1889-1893 (1895 ?)
Labels Farbe: schwarz
Motiv: Beschriftung und /oderAnagramm

 

Viele Platten der zweiten Variante tragen das Anagramm mittels eines Gummistempels auf einem aufgeklebten Rückseiten-Zettel. Meist enthielt der rückseitige Zettel auch Hinweise auf den Titel, die Katalog- bzw Bestell-Nummer, Patent-Angaben, den Text der Darbietung sowie Besetzungsangaben (zB „Tenor-Solo“, die mitwirkenden Interpreten werden zumeist nicht genannt, bisweilen war es Emil Berliner selbst). In den ersten Jahren seiner Beschäftigung mit dem Grammophon hat Berliner auch Miniatur- (Puppen-)Plättchen hergestellt, die eine Größe von nur 3“ (inch=Zoll) = 7½ cm hatten, daneben aber auch die Plattengrößen 5“ = 12½ cm ; deren Geschwindigkeit schwankte von etwa 90 UpM (Sprachaufnahmen) zu etwa 150 UpM (Gesang). Hergestellt wurden Platten mit 7,5 cm Durchmesser für die Sprechpuppe und 12,5 cm Durchmesser für das Grammophon. Die Pressungen waren in Zelluloid-, Hart-Gummi-, und Zink-Ausführung erhältlich, wobei nicht bekannt ist, inwieweit Zelluloid und Hart-Gummi zueinander in zeitlicher Abfolge standen; die Zinkplatten wurden offenbar gegen Aufpreis verkauft.

Dank an Stephan Puille, Rainer E. Lotz, Horst Wahl und vor allem an Emile Berliner !

 

 

Inserat aus der Wochenschrift „Prometheus“ vom Dezember 1891